Drei Gemeindemodelle im Vergleich

Drei Gemeindemodelle im Vergleich

Richard Schutty

  

Die Pastoren- oder Hauskreisgemeinde

Gemeinden nach dem herkömmlichen und dem am weitesten verbreiteten Modell wachsen in erster Linie durch Addition, das heißt, durch zahlenmäßige Zunahme an Mitgliedern. Das innere, qualitative Wachstum der einzelnen Glieder wird zwar gewünscht ist aber ihr größtes Problem. Im Vordergrund der Verkündigung stehen die Inhalte der Erlösung, die Wiedergeburt, die Taufe, die Gemeindezugehörigkeit und manchmal auch die Gaben. Der Auftrag zur Zurüstung aller Heiligen zum Dienst, gemäß Eph.4.11, findet wenig oder keinen Raum. Gemeinden dieser Art haben alle das gleiche Merkmal: Ein Pastor steht, zumindest äußerlich, an der Spitze der Gemeinde - oder er wird gerade dringend gesucht, um diesen Platz einzunehmen. Er wird von der Gemeinde "unterhalten" (bezahlt) und soll dafür die Gemeindearbeit tun. Er ist wie ein Angestellter eines Betriebes. Meistens steht diesem Pastor ein Gemeinderat (Ältestengremium, Presbyterium) unterstützend zur Seite. Der größte Teil der Gemeindeglieder kommt am Sonntag und manchmal auch zu einer Bibelstunde zusammen, um die geistliche Kost des Pastors zu konsumieren. Gemeindearbeit heißt meistens helfen, wenn es um praktische Belange geht und wo Not am Mann ist. Fortschrittlichere Gemeinden dieses Typs haben schon länger damit begonnen ein Hauskreissystem einzuführen. Denn im Laufe der letzten 50 Jahre wurde allgemein bekannt, dass man in kleinen Gruppen wesentlich intensiver den christlichen Glauben durch Bibelarbeit, Gebet und Gespräche ausleben kann. Viele solcher Gemeinden stehen bis heute in einem erbitterten Kampf, gegen traditionelle Kräfte in der Gemeinde, die diese intensive Art der Gemeinschaft nicht möchten und ihr althergebrachtes Gemeinde-system bevorzugen. Anderen ist es gelungen, den größten Teil der Gemeindemitglieder in solchen Hauskreisen unterzubringen. Hauskreise dieser Art praktizieren nur selten einen christlich- ganzheitlichen Lebensstil, da sich dieser mit dem Alltagsleben des Durchschnittschristen nur schwer vereinbaren lässt. Vielmehr beschränken sie sich meistens auf unterschiedliche Teilbereiche des Gemeindelebens, wie zum Beispiel Gebet, Bibelgespräch, Seelsorge oder Gemeinschaft im 14-tägigen, höchstenfalls im wöchentlichen Rhythmus. Das eigentliche Gemeindeleben, indem mehrere Elemente gleichzeitig zum tragen kommen, findet in einer stark abgespeckten Form in  der großen Gemeinde statt. Viele begnügen sich mit dieser Magerkost, "man soll ja auch nichts übertrieben", doch manche bleiben dabei auf der Strecke. Die wesentlichen Impulse für das Gemeindeleben gehen von dem  vollzeitlichen Pastor aus. Er ist der Fachmann, was den christlichen Glauben betrifft, bei ihm laufen die "geistlichen Fäden" zusammen und er koordiniert auch die Mitarbeitertreffen.            

 

Die Hauszellgemeinde (Cellchurch)

Fortschrittlichere Christen verstehen unter Gemeinde und deren Wachstum auch eine innere Entwicklung und Ausweitung durch sogenannte "Zellteilung", d. h. durch Vermehrung gemeindeinterner Gruppen bzw. Zellen. Im Vordergrund dieses Gemeindemodells steht der Gedanke, dass die Gemeinde ein lebendiger Organismus ist, der seine eigene Wachstumsdynamik entfalten will. Wachstum soll durch Multiplikation einer gesamten Zelle in der Gemeinde geschehen. Das ereignet sich, wenn der jeweilige Zellkern, der aus einer kleineren Gruppe von Mitarbeitern besteht, bereit ist, sich zu teilen, um eine neue Zelle zu bilden. Die Ausbildung der Mitarbeiter und Leiter ist dabei sehr wichtig, da nur durch einen reifen Mitarbeiterkern das Wachstum einer neuen Zelle ermöglicht wird. Jede Zelle soll wie eine kleine Gemeinde in der großen Gemeinde sein und je mehr ihre Lebensdynamik im Kleinen das Große wiederspiegelt, desto besser. Die Zelle soll von einem Hirten geleitet werden. Mehrere Zellen zusammen bilden eine größere Zelleinheit, die wiederum von einem übergeordneten Hirten geleitet und beaufsichtigt wird. Oft hat die gut organisierte, Zellgemeinde für den Gemeindeaufbau die organisatorischen Grundlagen des sogenannten "Jethroprinzips" übernommen, das abgeleitet ist von der Leitungsstruktur, die Jethro seinem Schweigersohn Mose in der Wüste gab, um das große Volk regieren zu können. Er empfahl dem Mose Leiter über 10 über 50 über 100 über 1000 über 10000 einzusetzen. Kennzeichen dieses Systems ist die stark hierarchisch ausgerichtete Struktur. Die Zellen bzw. Zellleiter sind ihrem Einheitsleiter untergeordnet. Die Einheiten wiederum sind der Gesamtleitung der großen Gemeinde untergeordnet. Sie sind dem Leiter rechenschaftspflichtig und dürfen keinen unabhängigen Stil entwickeln. Sie leben höchstenfalls als sogenannte Untergemeinden in Abhängigkeit von der großen Gemeinde.In der Zellgemeinde wird sehr darauf geachtet, dass in jeder Zelle die selben Informationen weiter-gegeben werden und der ganze Leib einheitlich gesteuert werden kann. Ausgehend von der Verkündigung in der Großversammlung der Gesamtgemeinde bis in die kleinsten Zellbereiche der Gemeinde soll ein einheitlicher Ablauf und Informationsfluss da sein. Dadurch entsteht eine gewisse Uniformität innerhalb der gesamten Gemeinde, die als Einheit bezeichnet wird.

                   

Die Hausgemeinde (Hauskirche)

Eine Hausgemeinde ist eine vollständige, autarke Gemeinde, auch wenn sie klein und unscheinbar ist und an einen Gebetskreis, Bibelkreis, Hauskreis oder an eine Hauszelle erinnert. Sie ist wie eine geistliche, erweiterte Familie oder Großfamilie und wird deswegen oft nicht als vollständige Gemeinde anerkannt. Tatsächlich kann sie aber auch die Kriterien erfüllen, die an eine neutestamentliche Gemeinde angelegt werden. Ihre Stärken liegen in der Überschaubarkeit und Intensität des Beziehungsgefüges. Sie ist nicht weniger Gemeinde, als eine herkömmliche Pastorengemeinde - vielleicht ist sie sogar noch mehr Gemeinde, weil in ihrer natürlichen Struktur alle Elemente christlichen Lebens wunderbar gedeihen können.  Als eine christliche Großfamilie will sie nicht als eine Gruppe oder ein Teilbereich einer großen Gemeinde verstanden werden, sondern als eine selbständige Gemeinde im Haus. Als eigenständiger geistlicher Organismus ist sie nicht weniger Leib Jesu als andere Gemeinden auch. Denn es gibt keine Ortsgemeinde, egal welcher Größe, die in sich alle Funktionen, Kräfte, Ämter, Gaben und Möglichkeiten der Gemeinde in sich vereint. Das ist nur der Fall bei der übergeordneten und universellen Gemeinde. Die Ortsgemeinden oder mehrere lokale Gemeinden an einem Ort brauchen einander, um in der gegen- seitigen Ergänzung die größere Fülle des Leibes Jesu in übergeordneter Weise darzustellen. Und die übergeordneten Gemeinden aus verschiedenen Regionen brauchen einander, um die größere Fülle der universellen Gemeinde darzustellen. Zu dieser Ergänzung tragen also im Kleinen auch die verschiedenen Hausgemeinden bei. Jesus ist in ihrer Mitte lebendig und betätigt sich durch ihre Glieder. Jede einzelne Gemeinde dieser Art, ist der Leib Jesu.  Wenn jede Orts- bzw. Hausgemeinde der Leib Jesu ist, dann muss ihr bereits eine Vollständigkeit innewohnen. Wenn eine Gemeinde geboren wird und unter der Vaterschaft - bzw. Mutterschaft eines Apostolisch- Prophetischen Dienstes steht, erhält sie den nötigen Schutz und die Versorgung, um als selbständige Gemeinde überleben und in Reife zu gelangen zu können.Leben und Wachstum einer Hausgemeinde lassen sich mit einer Erdbeerpflanze oder mit einer Grünlilie vergleichen. Diese Pflanzen wachsen bis zu einer gewissen Größe und geben dann ihre ganze Kraft in die Ausbildung von Ablegern. Diese Ableger sind zwar am Anfang noch mit der Mutterpflanze verbunden, aber sie können, wenn man sie abschneidet und ihnen die nötigen Umweltvoraussetzungen gibt, als selbständige kleine Pflanzen existieren. Das Wachstum der Pflanze erfolgt nicht nur durch die äußere Zunahme des Volumens der Pflanze, sondern im wesentlichen durch die Form der Vermehrung, indem sie neue Pflanzen zeugt und sich "fortpflanzt". Überall zeigt uns die Natur dieses Prinzip als Grundlage allen Lebens. Die größte Frucht eines Apfelbaumes ist nicht die Fülle der Apfel, dir zur Erntezeit an ihm hängen, sondern ein neuer Apfelbaum. Auch der Mensch, bzw. die Menschheit wächst nicht nur durch Zunahme an Volumen und Reife, sondern besonders durch die Vermehrung der eigenen Art - d.h., Wachstum erfolgt durch die Geburt neuer Menschen. Zwar wächst der Mensch auch im üblichen Sinne durch Zunahme an Volumen und durch körperliche, geistige und seelische Reife, jedoch niemals dadurch, dass der eigentliche Leib immer mehr Glieder bekommt. Vielmehr wächst er dadurch, dass immer neue kleine Leiber dazukommen und bis zur eigenen Zeugungsfähigkeit heranreifen. Auch das Wachstum der Zellen eines Körpers ist beschränkt.  Das neue "Baby" ist von Anfang an vollständig in der Anzahl seiner Glieder. Die bereits vorhandenen Glieder wachsen, in dem sie reifer, größer und stärker werden - bis zu einer bestimmten Grenze. Quantitatives Wachstum in Form von Zunahme an Gliedern geschieht nur durch Fortpflanzung, das heißt durch die Geburt neuer Menschen. So verhält es sich auch mit der Gemeinde, dem Leib Jesu. Er ist ein geistlicher Körper mit geistlichen Gliedern, entsprechend dem Natürlichen. Wenn er zur Geburt kommt, ist er klein und noch nicht ausgewachsen, bzw. erwachsen, aber er ist bereits relativ vollständig in der Quantität seiner Glieder. Das Wachstum zielt insbesondere auf Reife der vorhandenen Glieder, bis der ganze Leib fähig wird neues Leben zu zeugen. Ihre Gliederzahl ist auf jeden Fall begrenzt und wird sich zwischen 10- 30 Personen einpendeln. Bestimmt ist sie von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich, je nach Berufung. Jede kleine Hausgemeinde ist wiederum wie ein Glied mit einer bestimmten Berufung in dem universellen Leib Jesu. Jede Hauskirche entwickelt eine eigene Identität und Ausprägung. Zusammen mit einer begrenzten Zahl an Gemeinden bilden sie eine neue vollständige geistliche Einheit in der Vielfalt und so weiter. Diesem Wachstum ist theoretisch keine Grenze gesetzt. Entscheidend für die Entfaltung dieser Struktur ist die Grundlage, dass jede Hausgemeinde eine eigene, vollständige Gemeinde ist, die in einer Selbständigkeit wächst, aber freiwillig die Anbindung an andere Hausgemeinden und Dienste sucht. Das heißt nicht, dass Hauskirchen keine übergeordnete Leitung und Schutz brauchen. Doch nehmen sie diese aus freien Stücken in Anspruch und werden von ihnen nicht zentral geleitet oder geprägt. Sie behalten ihre Eigenständigkeit und leben unter der Autorität der Ältesten und der eigenen Gemeindestruktur. Die einzelnen Hauskirchen werden mehr dezentral geleitet und durch ein externes Netzwerk des fünffältigen Dienstes zusammengehalten. Dieses Netzwerk versteht sich wie der Blutkreislauf oder wie die Nervenbahnen eines Körpers. In ihnen fließen die Dienste aus Eph. 4.11 als Nahrungslieferanten und Träger von Botenstoffen.