Oikos, Haus Gottes im NT, Richard Schutty

Obwohl das griechische Wort oikos über 100 mal im Neuen Testament zu finden ist und dort meistens im Zusammenhang mit Gemeinde (ecclesia) und Gottesdienst steht, fand es im laufe der Jahrhunderte kaum Erwähnung im kirchlichen Sprachgebrauch. Wenn wir heute suchen, wie und wo dieses Wort eingesetzt wird dann stellen wir fest, dass es fast nur im säkularen Bereich zu finden ist. Es ist zum Beispiel das Stammwort aus dem sich unser Begriff Ökonomie und auch das Wort Ökologie entwickelt hat. Natürlich finden sich darin unsere bekannten  Worte „Bewahren“ und „Haushalten“ in positiver Weise wieder, doch der christliche Bezug ist verlorengegangen. Das Wort „oikos“ als Eigenname wurde in den letzten Jahren mehr und mehr von einer weltweiten Ökologiebewegung in Beschlag genommen.  Das ist schade, denn es ist meiner Meinung nach das treffendste Wort, wenn es um Gemeinde im ursprünglichen Sinne geht. Es ist deshalb an der Zeit dieses Wort neu für die Gemeinde zu beleben. Ein erster Vorstoß in diese Richtung war bereits vor 10 bis 20 Jahren zum ersten Mal zu beobachten. Damals brachte ein deutscher christlicher Autor „oikos“ neu in Zusammenhang mit der persönlichen Evangelisation. Er plädierte damit für eine „Evangelisationsmethode“, bei der das nächste Umfeld des Christen favorisiert wurde. Familie, Verwandtschaft, Bekanntschaft, Arbeitskollegen, Mitschüler etc. bezeichnet er als den „oikos“, den man zunächst mit dem Evangelium erreichen soll. Ein Vorstoß in die richtige Richtung, doch dabei wurde der erreichte „oikos“ selbst nicht als Gemeinde gesehen.  

1. Die Häufigkeit des Wortes „oikos“ im Neuen Testament. 

Wenn vom Haus Gottes in der griechischen Bibelübersetzung geschrieben ist, dann steht dort immer das griechische Wort „oikos“ so z.B. in: - Mt.12,4; Mk. 2,26; Lik.6,4 – „David trat hinein in das Haus Gottes“ (oikos)- Mt.21,13; Mk. 11,17; Luk.19,46 – „mein Haus soll ein Bethaus genannt werden“ (oikos) - Joh. 2,16 – „macht nicht das Haus (oikos) meines Vaters zu einem Kaufhaus“.- Apg. 7, 47; 49 – „was für ein Haus (oikos) wollt ihr mir bauen“- Gal. 6,10 – „... am meisten aber gegenüber den Hausgenossen (oikejos) des Glaubens.“- Eph.2,19  Gottes Hausgenossen (oikejos)- 1.Tim. 3,15 – ...„im Hause Gottes“ (oikos)- Hebr. 3,6 – „Christus, als Sohn über sein Haus (oikos), sein Haus sind wir“ - Hebr.10,21 – „als Priester über das Haus Gottes“ (oikos) Insgesamt wird das griechische Wort oikos /oikonomia  über 100 mal in der Bibel benutzt. In den oben aufgeführten Bibelstellen und vielen anderen, wird es im Zusammenhang mit der Versammlung der Christen (ekklesia), bzw. mit dem Leib Jesu benutzt. Kein einziges Mal finden wir in diesem Zusammenhang das Wort Kirche (kyriakon)  

2. Die genaue Bedeutung von „oikos“  

Oikos = Haus, Haushalt, Familie, Großfamilie, Sippe, Stamm, Abstammung, Geschlecht, alle zu einem Haus gehörende, also auch Verwandte, Sklaven und Bedienstete. - Es bezeichnet das familiäre und verwandtschaftliche Gefüge zu dem ein Mensch von Geburt an gehört. Im übertragenen Sinn ist es das soziale Gefüge, in dem eine Person einen festen Platz eingenommen hat. Es ist auch die Gruppe von Menschen mit denen eine Person in einer regelmäßigen Interaktion steht und gemeinsame Werte, Normen, Ziele und Erlebnisse austauscht. Die Schicksalsgemeinschaft, in die ein Mensch hineingestellt (geboren) wurde und von Abstammung her zugehörig ist, ob körperlich, seelisch oder geistlicher Natur (siehe: „sie waren ein Herz und eine Seele“) a)      Der oikos eines Menschen ist das Beziehungsgeflecht, in dem er Anerkennung, Schutz Wachstum und Versorgung erfährt. Im allgemeinen Sinne besteht eine Gesellschaft, ein Volk, aus einer Vielzahl von oikos. a)       Im konkreten, christlichen Sinn, entsprechend unserer thematischen Auseinandersetzung, ist der oikos das Haus, die Familie, die Gruppe, die Gemeinschaft, die dem Herrn zugehörig ist, nicht im Sinne von Besitz eines Herrn (wie bei kyriakon) sondern im Sinne von Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft (wie bei ekklesia) in einer Gruppe.  In Eph.2,19 sagt Paulus:„So seid ihr nun nicht mehr Fremde (xenon) und nicht Nichtbürger (par oikos) sondern ihr seid Mitbürger (sum polites) der Heiligen und Gottes Hausgenossen (oikejos)

Erklärung: xenon = Gast, Fremdling ; par oikos = Gast, Verweilender ; sum polites = (Mit) Bürger, der freie Bürger einer Stadt ; oikejos = die zum Haushalt Gehörenden, zur Familie zählende Mitglieder  1. Das heißt, dass wir als Nachfolger Jesu zu den Bürgern der Stadt Gottes gehören.„..sondern ihr seid gekommen zum Berg Zion und zur Stadt (polis) des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem ... und zur Gemeinde (ekklesia) der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind (gekommen zu seinem Volk)2. Wir gehören aber auch zu seinem Haus und zu seinem Haushalt (oikos). Wir zählen zu seinem „sozialen Gefüge“, zu seiner Familie, zu seiner „Körperschaft“, zu seinem Köper, zum Leib Jesu.3. In dieser kurzen Aufzählung erklärt Paulus unseren Stand als Christen: Wir gehören zu der herausgerufenen Versammlung (ekklesia) der Bürger seiner Stadt (Jerusalem). Wir haben das volle Bürgerrecht und sind in sein Volk, legal eingebürgert („aufgepfropft“) und damit gehören wir zu seinem Volk im Großen.Aber auch im Sinne der Abstammung zählen wir zu seinem „Hause“ (oikos), unser Stammvater ist Abraham und in der Folge der Generation gehören wir am Ende der Kette (des Glaubens) zu seinem Geschlecht und am Ende zu seiner Familie, zu Seinem Hause im Kleinen.  

Das Haus Gottes im Alten Testament (bajit)  = gleichbedeutend mir oikos  

1. Des Menschen Plan 

In 2.Sam. 7,1-12 wird berichtet, dass David für Gott ein Haus, einen Tempel bauen wollte. Zweifellos hatte David eine gute Motivation, er wollte Gott damit ehren. Interessant ist die Antwort Gottes, die der Prophet Nathan überbringt: „Du willst mir ein Haus bauen, als Wohnung für mich? Wahrhaftig, nie habe ich in einem Haus gewohnt von dem Tag an, als ich die Söhne Israel aus Ägypten heraufgeführt habe, bis zum heutigen Tag;  sondern ich bin umhergezogen in Zelt und Wohnung.“ Gott hatte niemals verlangt, ihm ein Haus zu bauen. Es war die Idee des Menschen.Anzumerken ist auch, dass der Plan zum Bau der Arche von Gott selbst kam - ein erstes Bild für die Gemeinde. Die Idee zum Bau der Stifthütte kam auch von Gott. Beide Male war es Sein klarer Wille und Auftrag. Auch war es Gottes Vorstellung dass sein Volk geführt wird durch die Richter. Er wollte nicht, dass sie einen König haben. Er selbst wollte König über Israel sein. Die Idee einen König zu haben kam wieder von den Menschen.  

2. Gottes Plan. Weiter sagt der Prophet in Vers 11b zu David: „So verkündigt dir nun der Herr, dass der Herr dir ein Haus machen wird.“ Gott dreht den Spieß um, er zeigt seinen Charakter, seine Gedanken zu diesem Thema: Der Mensch kann und braucht nichts für Gott tun. Gott tut es für uns und Er wartet auf unseren Gehorsam. Gott will nicht bedient werden, wie die Götter der Heiden. Gott ist anders als diese Götter und anders als wir Menschen.Das Wort Haus, im Hebräischen lautet bajit , es bedeutet Haus, Wohnhaus, auch Gotteshaus oder Tempel, aber auch Hausgemeinschaft, Familie, Sippe – Gott legt hier schon die Betonung auf das „Haus, das aus Menschen besteht“, ein Hinweis auf den oikos- Begriff  für die neutesta- mentliche Gemeinde. Eine Frage bleibt: Warum lässt Gott es zu und ordnet es sogar an, dass Salomon ihm ein Haus bauen soll? Wir sehen hier deutlich den Charakter Gottes. Er  lässt sich erweichen, in bestimmten Dingen geht er auf unsere Wünsche ein. Genauso tat er es bei dem Wunsch des Volkes nach einem König. Wie ein irdischer Vater, der auf die Wünsche seiner Kinder gerne eingeht. Er weist sie nicht barsch zurück, sondern reagiert positiv auf ihr Drängen und hat Freude daran, seine Kinder zu beschenken. Und das was er dann gibt gereut ihn nicht. Trotzdem denkt er an die Gefahren und weist sie darauf hin. Er teilt seinem Volk seine Sicht und seine Überlegung zu diesen Dingen deutlich mit. Im Falle des Wunsches nach einem König war seine Meinung klar. Er wollte nicht, dass sie einen König über sich haben, Er selbst wollte ihr König sein. Trotzdem ging er auf ihren dringlichen Wunsch ein, doch sie hatten die bitteren Folgen ihrer Wahl auch selbst zu tragen und Gott erhörte sie nicht (1.Sam. 8,4-22).  

3. Die Wohnung Gottes In diesem Sinne finden wir in der Bibel auch, dass Gott seinen Willen über das Haus Gottes zu den Menschen sagt. Als Stefanus eine Rede vor seiner Steinigung hält, offenbart er das Denken Gottes zum Tempel, dem Gebäude als Haus Gottes: „Salomo aber baute ihm ein Haus. Aber der Höchste wohnt nicht in Wohnungen, die mit Händen gemacht sind, wie der Prophet spricht (Jesaja. 66,1-2): ‚Der Himmel ist meine Thron und die Erde der Schemel meiner Füße. Was für ein Haus (oikos) wollt ihr mir bauen spricht der Herr, oder welches ist der Ort meiner Ruhe? Hat nicht meine Hand dies alles gemacht?’“ (Apg.7,47-50).Gott will nicht, dass wir den Menschen (Könige) oder den Gebäuden (Kirchen, Tempel) oder bestimmten Orten die Ehre geben, sondern seiner Person selbst. Wie Jesus auch zu der Samariterin sagte: “Gott ist Geist und die ihn anbeten, müssen ihn in Geist und Wahrheit anbeten“.(Joh.4,21-24). Immer dann, wenn Menschen, Gebäude und Orte zur Priorität werden und ein Höchstmaß an Einsatz abverlangen, stehen wir in der Gefahr Götzendienst zu betreiben. Gott will in uns und unter uns wohnen. Wir selbst sind sein Haus, in dem er wohnen will. Das symbolisierte die Stiftshütte Mose und auch die Hütte Davids. Da geht es in erster Linie um die Gegenwart Gottes unter seinem Volk und in jedem Gläubigen, egal, wo wir uns befinden, auf dem freien Feld, unter der Brücke, in einer Wohnung, einem Haus oder in einer Kirche. Wenn Gott diese Priorität wiederherstellt, wird die Gemeinde ihre Wirkungskraft wiedererlangen. Jakobus sagte es auf dem ersten Konzil folgendermaßen: „Und hiermit stimmen die Worte der Propheten überein, wie geschrieben steht: ‚Nach diesem will ich zurückkehren und wieder aufbauen die Hütte Davids, die verfallen ist, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten; damit die übrigen Menschen den Herrn suchen und alle Nationen, über die meine Name angerufen ist, spricht der Herr, der dies tut,’ was von jeher bekannt ist.“(Apg.15,16-18).  

Fazit: 

Das Haus, das Gott für seine Gegenwart benötigt sind die Menschen. Wo sich diese Menschen aufhalten ist zweitrangig. Da wir als ziviliserte Menschen meist in Wohnungen oder Häusern als Familien leben, werden wir uns auch dort als Gemeinde treffen. Aber nicht das Gebäude ist wichtig, sondern die Menschen. Im Zusammenhang mit Gemeinde im neuen Testament sehen wir zwei zentrale Begriffe:1. Die Versammlung („Herausgerufene “) der Bürger des Volkes Gottes im Sinne von ecclesia2. Das Haus Gottes als Familie, Haushalt, Geschlecht im Sinne von oikos  Im NT begegnen wir diesen Begriffen immer wieder in einer Kombination von beiden:Die Gemeinde im Haus der, des .... (ecclesia  oikos) Zwei Beispiele: „Grüßt Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus .... und die Gemeinde (ekklesia) in ihrem Haus (oikos)“  - Röm. 16,3.5 / 1.Kor.16,19„Grüßt die Brüder in Laodicea und Nympha und die Gemeinde (ekklesia) in ihrem Haus (oikos)“ -  Kol. 4,15 

von Richard Schutty