Leitung der Gemeinde, Frank Viola
Aufsicht
Die Frage der Leiterschaft ist eines der drängendsten Themen in jeder Diskussion über die Praxis der Gemeinde. Jede Gemeinde hat eine Leiterschaft. Ganz gleich, ob sie sichtbare oder unsichtbare Leitungsstrukturen hat Sie sind immer vorhanden.
Hal Miller sagt: „Leiterschaft ist. Sie mag gut oder schlecht sein, bekannt und gewünscht sein oder nicht, aber sie ist immer da" ("Nuts and Bolts of Leadership and Authority," Voices Newsletter, No. 4). Je nachdem, wer Leitung ausübt, kann sie für eine Gemeinde der größte Albtraum oder von größtem Nutzen sein.
Weil Leiterschaft das Potential hat, entweder ein grausamer Aufgabenverteiler oder ein nützlicher Diener zu sein, besteht für Christen ein gewaltiger Bedarf danach, dieses Thema neu zu überdenken. Lassen Sie uns unsere Diskussion damit beginnen, dass wir zwei verschiedene Arten von Leiterschaft herausstellen. Es gibt Leitung, die Aufsicht ausübt, und es gibt Leitung, die Richtung weist. In diesem Kapitel werden wir uns mit der Leiterschaft beschäftigen, die für Aufsicht sorgt. Im nächsten werden wir die richtungweisende Leiterschaft behandeln.
Betrachten wir die folgenden Abschnitte:
Von Milet aber sandte er nach Ephesus und rief die Ältesten der Gemeinde herüber. Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher eingesetzt hat, die Gemeinde Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines eigenen Sohnes! Ich weiß, dass nach meinem Abschied grausame Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen. (Apg 20,17,28-29)
Die Ältesten unter euch nun ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll: Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, nicht aus Zwang, sondern freiwillig, Gott gemäß, auch nicht aus schändlicher Gewinnsucht, sondern bereitwillig, nicht als die, die über ihren Bereich herrschen, sondern indem ihr Vorbilder der Herde werdet! Und wenn der Oberhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr den unverwelklichen Siegeskranz der Herrlichkeit empfangen.(1. Pet. 5,1-4)
Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste einsetzen solltest, wie ich dir geboten hatte, wenn jemand untadelig ist, Mann einer Frau, gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt oder aufsässig sind. Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht jähzornig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend. (Tit.1,5-7)
Die obigen Textstellen zeigen deutlich, dass die Aufsicht über die Gemeinde in die Hände einer Gruppe von Menschen gelegt wurde, die man „Älteste" nannte. Die Bedeutung des griechischen Wortes, das mit Ältester (presbuteros) übersetzt wird, meint einfach einen reifen Mann.
Älteste waren deshalb ortsansässige Männer, die den anderen geistlich voraus waren. Ein Ältester sollte niemals im Sinne eines Amtes gesehen werden, das vakant ist, bis jemand es ausfüllt. Im Gegenteil waren Älteste einfach Brüder – ältere Männer. Sie wurden auch „Aufseher" genannt. Dieser Begriff beschreibt ihre Funktion des Beaufsichtigens der Angelegenheiten der Gemeinde. Auch nannte man sie „Hirten" (in einigen Übersetzungen auch „Pastoren"). Dies zeigt, dass sie dafür verantwortlich waren, die Herde vor geistlichen Raubtieren zu warnen und sie zu schützen. Obwohl die Ältesten „zu lehren verstanden", und die Gabe der Hirtenschaft hatten, waren nicht alle, die als Hirten und Lehrer fungierten, auch Älteste (Tit. 2,3-4; 2. Tim. 2,2;24; Heb. 5:12). Lehre konnte von jedem Gläubigen kommen, der ein Wort der Unterweisung für die Gemeinde hatte (1. Kor. 14,24-26).
Älteste waren damals Aufseher und Hirten. Der Begriff „Ältester" bezieht sich auf ihren Charakter. Das Wort „Aufseher" verweist auf ihre Funktion. Und der Bezeichnung „Hirte" bezieht sich auf ihre „Begabung". Ihre wichtigste Aufgabe war, in Krisenzeiten über der Gemeinschaft der Gläubigen zu wachen.
Während eine Diskussion über die Rolle der Frau in Leiterschaft den Rahmen dieses Buches sprengen würde, scheint das Neue Testament zwischen Dienst und Aufsicht zu unterscheiden. Die Frauen in der frühen Gemeinde übten frei jede Form von Geistesgaben aus. Jedoch finden wir sie niemals als Aufseher der Gemeinde in Krisenzeiten. Eine solch schwere Last schien nur den Brüdern zuzufallen – den Frauen blieb sie erspart!
Nochmals, die Schwestern dienten durch Prophetie, Unterweisung, Ermahnung, Zeugnis, Singen, Ermutigung etc., aber man sah sie niemals sich mit den Problemen der Gemeinde herumschlagen (vergleiche Apg. 2,16-18; 18,26; 21,8-9; 1. Kor. 11,4-5; Gal. 3,28; Titus 2,3-4 mit 1. Kor. 11,1-3; 14,34-35; 1. Tim. 2,11-15).
Das Prinzip der verteilten Aufsicht
Das Neue Testament zeichnet ein Bild von einer Aufsicht, die auf mehrere Schultern verteilt ist. Die Apostel etablierten in den Gemeinden, die sie gründeten, immer eine mehrfache Aufsicht. Es dauerte bis mindestens 14 Jahre nach der Gründung der Gemeinde in Jerusalem, bis Älteste (Mehrzahl) in ihr aufkamen (Apg. 11,30). Eine ganze Weile nachdem Paulus und Barnabas die vier Gemeinden in Galatien gegründet hatten, bestätigten sie Älteste (Mehrzahl) in jeder von ihnen (Apg. 14,23).
Fünf Jahre, nachdem Paulus die Gemeinde in Ephesus gegründet hatte, sandte er nach den Ältesten (Mehrzahl) der Gemeinde, um sie in Milet zu treffen (Apg. 20,17). Als Paulus der Gemeinde in Philippi schrieb, die nun 12 Jahre alt war, grüßte er die dort anwesenden Aufseher (Mehrzahl) (Phil. 1,1). Schließlich ruft Johannes die Kranken in allen Gemeinden Judäas dazu auf, nach den Ältesten (Mehrzahl) zu rufen (Jak. 5,14).
Außerdem biete ich die folgende Reihe von Schriftstellen zur Betrachtung an: Apg. 11,29-30; 15,2-6,22-40; 20,17; 21,17-18; Eph. 4,11; 1. Thes. 5,12-13; 1. Tim. 4,14; 5,17-19; Titus 1,5; Heb. 13,7,17,24; 1. Pet. 5,1-2. Hierin werden Sie feststellen, dass die Bibel unerschütterlich zeigt, dass eine Gruppe von Ältesten über den frühen Gemeinden wachte. Keine Kirche des 1. Jahrhunderts hatte nur einen einzigen Leiter. Es gab nichts, was mit dem modernen Pastor, Priester oder Bischof vergleichbar wäre!
Jene, die die einzelnen Leiter des Alten Testaments anführen, um die populäre Praxis des „Sola Pastora" (einzelner Pastor) zu rechtfertigen, machen zwei Fehler. Erstens übersehen sie die Tatsache, dass alle einzelnen Führer des Alten Testaments – Joseph, Moses, Josua, David, Salomo, etc. – Vorläufer von Jesus Christus waren, und nicht menschliche Würdenträger.
Zweitens ignorieren sie das Beispiel der Aufsicht, wie es durch das gesamte Neue Testament hindurch klar dargelegt wird. Watchman Nee beobachtet:
Die erste Frage, die gewöhnlich in Verbindung mit einer Gemeinde gestellt wird, ist: „Wer ist der Leiter?" Der Gedanke, der dem Fragesteller durch den Kopf geht, ist: „Wer ist der Mann, der für die geistlichen Belange der Gemeinde verantwortlich ist?" Das klerikale System des Gemeindemanagements ist überaus populär, aber der gesamte Gedanke ist der Schrift fremd. In der Bibel sehen wir die Verantwortung für die Gemeinde in den Händen der Ältesten, nicht bei Leitern als solchen; und Älteste üben lediglich Aufsicht über die Arbeit der Gemeinde aus, tun diese jedoch nicht selbst im Namen der Geschwister. Wenn in einer Gesellschaft von Gläubigen eine Person aktiv und alle Gemeindemitglieder passiv sind, dann ist diese Gesellschaft eine Mission, aber keine Gemeinde. In einer Gemeinde sind alle Mitglieder aktiv ... Er bestimmte einige dazu, die Arbeit zu beaufsichtigen, damit diese effizient fortgeführt werden konnte. Es war niemals sein Gedanke, dass die Mehrheit der Gläubigen sich ausschließlich weltlichen Angelegenheiten widmen, und die Dinge der Gemeinde einer Gruppe geistlicher Spezialisten überlassen sollte. (Das normale Christenleben)
Die Ältesten im Neuen Testament standen alle auf derselben Ebene. Unzweifelhaft waren einige von ihnen geistlich reifer als andere. Jedoch gab es unter ihnen keine hierarchischen Strukturen. Eine aufmerksame Lektüre der Apostelgeschichte macht deutlich, dass Gott oft verschiedene Aufseher als zeitweilige Sprecher in einer bestimmten Situation gebrauchte, jedoch übte keiner dieser Aufseher permanent ein souveränes Amt über den anderen aus.
Das moderne Amt des „Seniorpastors", „leitenden Ältesten" und „Hauptpastors" existierte in der frühen Kirche nicht. Die Gläubigen des 1. Jahrhunderts stellten nicht einen Mann aus der Gruppe der Ältesten heraus und erhöhten ihn in eine überlegene Autoritätsposition.
Das populäre Ein-Pastor-System unserer Tage war den neutestamentlichen Gemeinden vollkommen fremd. Nirgendwo im Neuen Testament finden wir einen Ältesten, dem der Status eines Super-Apostels verliehen wurde, und den man mit außerordentlicher administrativer Autorität ausgestattet hatte.
Dieses Maß an Autorität war nur einer Person vorbehalten, nämlich dem Herrn Jesus Christus! Nur er ist das alleinige Haupt der Gemeinde. Er allein hat die Position des Führers und Hauptes – nicht nur rhetorisch, sondern ganz real!
Die plurale Aufsicht über die Gemeinde bewahrte die alleinige Herrschaft Jesu. Sie diente auch der Kontrolle gegen Despotismus und Korruption unter den Ältesten. Watchman Nee sagt:
Pastoren in einer Gemeinde zu haben, ist biblisch, aber das heutige pastorale System ist völlig unbiblisch; es ist eine menschliche Erfindung ... Es ist nicht Gottes Wille, dass ein Gläubiger unter allen anderen ausgewählt wird, um einen besonders bedeutenden Platz einzunehmen, während die anderen passiv seinem Willen gehorchen ... Die Verantwortung in die Hände mehrerer Brüder zu legen, statt in die Hand einer einzelnen Person ist Gottes Weg, um die Gemeinde vor dem Bösen zu schützen, das aus der Dominanz einer starken Persönlichkeit resultiert. (Das normale Christenleben)
Die Aufsicht über die Gemeinde wurde also geteilt, sie war aber vor allem natürlich. Das bedeutet, die Ältesten waren ortsansässige Brüder, die innerhalb der Gemeinde geistlich aufgewachsen waren. Deshalb hat die heute gängige Praxis des Imports eines Leiters von einem anderen Ort (typischerweise ein Pastor), um die Gemeinde zu leiten, keine biblische Grundlage. Stattdessen waren die Ältesten ortsansässige Männer, die Gott aus der bestehenden Gemeinde hervorbrachte.
Nehmen wir zur Kenntnis, dass Älteste immer erst lange nach der Geburt einer Gemeinde auftauchten. Es gibt keinen einzigen Fall im Neuen Testament, in dem Älteste in einer jungen Gemeinde aufkamen (Wir erinnern uns: Älteste waren reife Christen.) Genau wie alle anderen Gaben produziert die Gemeinde auch Älteste. Jedoch braucht es Zeit, bis sie entstehen. Folglich fehlt Hausgemeinden, die schon früh Älteste haben, die biblische Basis.
Darüber hinaus wurden die Ältesten im 1. Jahrhundert von den apostolischen Arbeitern bestätigt, nachdem sie herangereift waren. Die Ältesten haben sich nicht einfach selbst installiert. Traurigerweise kann man dies heute nur sehr selten beobachten.
Bevor Älteste aufkamen, lag die Aufsicht über die Gemeinde in den Händen der apostolischen Arbeiter, die sie gegründet hatten (1. Thes. 2,7-12). Danach wechselte sie in die Hände der Ältesten.
Die Autorität der Ältesten, Aufsicht auszuüben, war an ihre Funktion und ihre geistliche Reife gebunden. Sie war nicht an ein priesterliches Amt gekoppelt, dass ihnen durch eine Ordination äußerlich übertragen wurde. Nachdem der Heilige Geist die Ältesten erwählt hatte, bestätigen die apostolischen Arbeiter später öffentlich ihre Berufung. Aber die Funktion ging der Form voraus (Apg. 14,23; 20,28; Tit. 1,5).
Es ist deshalb ein tragischer Fehler, die öffentliche Bestätigung durch die Apostel mit der Etablierung eines Klassensystems, wie etwa dem professionellen Klerus unserer Tage, gleichzusetzen. Die Bestätigung durch die apostolischen Arbeiter war nicht mehr als eine öffentliche Anerkennung derer, die längst als Älteste in der Gemeinde fungierten (zur Erklärung dieses Prinzips siehe 4. Mose 11,16). Es war keine „Ordination zum Dienst", wie wir sie heute kennen. Die griechischen Begriffe in Apostelgeschichte 14,23 und Titus 1,5 bedeuten schlicht, „etwas bestätigen, das andere bereits anerkannt haben." Das heißt, die Gemeinde vertraute den Ältesten.
Unglücklicherweise brachte die westliche Vorliebe für Ämter und Positionen viele Christen dazu, diesen Gedanken mit dem biblischen Text in Verbindung zu bringen und Ältestenschaft als ein Amt zu betrachten. Ein solches Denken verwechselt die Aufsicht in der frühen Gemeinde mit modernen sozialen Konventionen. Auch beraubt es die Leiterschaftsterminologie im Neuen Testament ihrer ursprünglichen Bedeutung.
Im Griechischen sind Älteste reife Männer. Hirte ist jemand, der eine Herde nährt und schützt. Aufseher ist jemand, der beaufsichtigt. Kurz: Der Begriff der Aufsicht im neuen Testament beschreibt eine Aufgabe, kein Amt. Die Schrift sieht Aufseher niemals als „Beamte". Tatsache ist, dass die Bibel überhaupt nicht von „Gemeindeämtern" spricht. (Der Begriff „Amt", der in einigen Übersetzungen von Apg. 1,20; Röm. 11,13; 12,4 und 1. Tim. 3,1;10;13 auftaucht, hat keine Entsprechung im griechischen Text. Ferner beschreibt Paulus Ältestenschaft als eine Funktion. Im Originaltext von 1. Tim. 3,1 heißt es: „Einer, der Aufsicht anstrebt, tut ein gutes Werk".)
Wahre geistliche Autorität basiert auf einer Funktion, nicht auf einem Status. Sie ist im geistlichen Leben verwurzelt, nicht in Titeln oder Positionen. Mit anderen Worten: Die neutestamentliche Leiterschaft kann besser mit Verben als mit Substantiven beschrieben werden. Erinnern wir uns, dass Jesus selbst die autoritäre Hackordnung seiner Zeit verwarf (Matt. 20,25-28; Luk. 22,25-27). In seinen Augen liegt geistliche Autorität nämlich in einem Handtuch und einer Schüssel, nicht in einem äußerlichen Posten (Matt. 23,8-12)!
Die im Neuen Testament erwähnten Ältesten waren Männer, die für ihren gefestigten Charakter, nicht für ihre außergewöhnliche Begabung bekannt waren (1. Tim. 3,1-7; Tit. 1,5-9). Sie waren dienende Leiter (oder, wie Robert Banks sie gern nennt: „leitende Diener"), keine Sklaventreiber (Matt. 20,25-26). Sie waren Männer, um deren Geistlichkeit und Treue man wusste, aber sie waren keine mächtigen Verwalter.
Sie waren Vorbilder für die anderen, keine Herrscher (1. Pet. 5,3). Sie wirkten als Diener, nicht als geistliche Imperatoren (Luk. 22,24-27). Sie waren Förderer, keine Tyrannen. Sie übten als Väter Aufsicht aus, nicht als Despoten (1. Tim 3,4; 5,1).
Sie waren Bewahrer der Wahrheit, nicht kirchliche Autokraten, die ihr Ego durch Macht fütterten (Tit. 1,9). Sie waren Pfleger, nicht Nötiger, geistliche Hüter, nicht professionelle Kanzelhelden (Apg. 20,28-35). Sie arbeiteten nicht anstelle von anderen, sondern leiteten andere zum Dienst an.
Neutestamentliche Älteste trachteten nach dem Königreich und nicht nach einem menschlichen Imperium. Sie waren gewöhnliche Christen, nicht multitalentierte, vielseitige, übermenschliche, zu Heiligen stilisierte Stars. Ihre Qualifikation bezogen sie nicht aus einer besonderen Schule oder durch Zertifikate. Sie kam vom Geist Gottes selbst (Apg. 20,28). Ihre Ausbildung war nicht akademisch, formell oder theologisch, sondern praktisch und funktional, denn Sie entwickelte sich innerhalb des Rahmens des Gemeindelebens. Die Ältesten hielten sich nicht deshalb für fähig, die Gemeinde zu hüten, weil sie sich eine Reihe von Fertigkeiten im Bereich von Buchhaltung, Rhetorik und Amateurpsychologie angeeignet hatten. Ihr Dienst war ein organisches, natürliches Ergebnis ihres Lebens in der Gemeinde und ihrer aufrichtigen Beziehung zum Kreuz.
Die Ältesten des 1. Jahrhundert wurden nicht als religiöse Spezialisten betrachtet, sondern als treue und vertrauenswürdige Brüder. Sie machten keine kirchliche Karriere, sondern waren Familienoberhäupter, die durch einen weltlichen Beruf für sich selbst sorgten (Apg. 20,17,32-35; 1. Tim. 3,5; Tit. 1,6; 1. Pet. 5,2-3).
Aufgrund ihres unermüdlichen Einsatzes empfingen einige Älteste doppelte Ehre von der Gemeinde. Genau wie der Arbeitsochse sein Futter verdient und der Angestellte seinen Lohn, erhielten die Ältesten, die einen guten Dienst taten, doppelte Anerkennung (1. Tim. 5,17-18).
Manche haben aufgrund dieser einen isolierten Bibelstelle für einen professionellen Klerus zu plädieren versucht, aber der Kontext dieser Stelle offenbart etwas anderes. Erstens wird das griechische Wort, das im Neuen Testament für „Bezahlung" oder „Entgelt" (Misthos und Opsonion) verwendet wird, hier nicht benutzt. Das griechische Wort für „Ehre" in diesem Abschnitt ist Time, und es bedeutet, etwas oder jemanden zu „respektieren" oder „schätzen".
Dasselbe Wort wir viermal in 1. Timotheus gebraucht und jedes Mal meint es Respekt: Gott soll Respekt von den Menschen erhalten (1,17; 6,16), Älteste sollen Respekt von der Gemeinde erfahren (5,17), und Herren sollen von Ihren Sklaven respektiert werden (6,1). Eine andere Form dieses Wortes gebraucht Paulus, wenn er davon spricht, dass Witwen von der Gemeinde geehrt werden sollen (1. Tim. 5,3). (Zufällig wird das griechische Wort Time in der Literatur des 1. Jahrhunderts niemals in Bezug auf „Honorar" gebraucht.)
Zweitens sind alle Gläubigen dazu aufgerufen, einander zu ehren (Time) (Röm. 12,10). Es wäre absurd daraus ableiten zu wollen, dass alle Christen einander bezahlen sollten. Jenen Ältesten, die einen guten Dienst tun, soll mehr Ehre zuteil werden – oder größerer Respekt.
Drittens wird in Vers 19 deutlich, dass Paulus hier von Respekt spricht. Paulus fährt fort und sagt, dass die Ältesten nicht angeklagt (entehrt) werden sollten, bis nicht zwei oder drei Zeugen die Anklage bestätigen können (1. Tim 5,19).
Doppelte Ehre mag von Zeit zu Zeit ein freiwilliges Opfer als einen symbolischen Segen beinhaltet haben (Gal. 6,6; 1. Tim. 5,17-18), aber es war nicht der dominierende Gedanke. Es ist Ehre (Respekt) den die Ältesten verdienen, nicht ein Gehalt! Folglich stimmt 1. Timotheus 5 perfekt mit Apostelgeschichte 20,32-35 überein. Und beide Abschnitte beziehen sich auf dieselben Personen, nämlich die Ältesten in Ephesus. (Siehe auch 2. Thes. 3,7-9 als Beispiel für dieses Prinzip.)
Also waren die Ältesten der frühen Kirche finanziell unabhängig von der Gemeinde. Sie waren sogar immer bemüht, selbst der Gemeinde geben zu können. Mit Sicherheit erhielten sie kein festes Gehalt, wie die vollzeitlichen Pastoren heute. Auch fehlte Ihnen aus Sicht der Bibel die Grundlage für eine volle finanzielle Unterstützung wie sie den Aposteln zustand. Diese reisten von Region zu Region, um Gemeinden zu gründen (1. Kor. 9,1-18).
Weil Paulus ein solcher reisender Arbeiter war, hatte er das legitime Recht auf volle finanzielle Unterstützung vom Volk Gottes. Aber er verzichtete absichtlich auf dieses Recht, wann immer er mit einer Gruppe von Christen arbeitete (1. Kor. 9,14-18; 2. Kor. 11,7-9; 12,13-18; 1. Thes. 2,6-9; 2 Thes. 3,8-9).
Paulus verzichtete auf sein Recht, weil er den Gemeinden nicht finanziell zur Last fallen wollte, während er ihnen diente. Das paulinische Prinzip bezüglich finanzieller Unterstützung kann mit einem Satz zusammengefasst werden: „Als ich bei euch war, fiel ich niemand zur Last" (2. Kor. 11,9)
Dieses Prinzip enthüllt die nüchterne Tatsache, dass die neutestamentliche Gemeinde keinen ortsansässigen, bezahlten Klerus kannte. Steve Atkerson arbeitet diesen Punkt heraus:
In Apostelgeschichte 20 gab Paulus den Ältesten in Ephesus genaue Anweisungen hinsichtlich ihrer Pflichten. Im Hinblick auf ihre Finanzen stellt Paulus klar, dass er selbst niemandes Gold und Silber begehrte und für seine eigenen Bedürfnisse aufkam, indem er mit seinen Händen „hart arbeitete" (20,34-35; 18,1ff). Dem Vorbild Paulus’ folgend sollten auch die Ältesten durch einen weltlichen Beruf für sich selbst sorgen und in der Lage sein, den Schwachen zu helfen, um so dem Wort des Herrn Jesus entsprechend leben zu können, dass Geben seliger als Nehmen ist. In Apostelgeschichte 20,32-35 wird also deutlich gesagt, dass Älteste finanziell in der Lage sein sollen, der Gemeinde zu geben, anstatt von ihr zu empfangen ... Sollte die Gemeinde professionelle Pastoren beschäftigen? Ein solcher Beruf war der neutestamentlichen Gemeinde nicht nur fremd, sondern es wurde ausdrücklich davon abgeraten (Apg. 20,32-35) ... Eine Klasse bezahlter Mitarbeiter zu bilden verleitet dazu, diese über den gewöhnlichen Gläubigen zu erheben und nährt eine künstliche Trennung zwischen Laien und Klerus. Schließlich versuchen Verkäufer jenen gegenüber besonders nett zu sein, denen sie etwas zu verkaufen hoffen. Einen Kleriker anzustellen, bringt diesen in eine vergleichbare Verkäufer/Kunde-Beziehung und beeinflusst zweifellos zu einem gewissen Grad sein Verhalten gegenüber wichtigen „Beitragszahlern". (Toward a House Church Theology)
Älteste im 1. Jahrhundert nahmen nichts von Gottes Volk! Stattdessen dienten sie ihm. Weil sie einfache Brüder waren, standen sie nicht über der Gemeinde. Auch standen sie nicht entfernt von ihr. Stattdessen wirkten sie als solche, die innerhalb der Herde waren (1. Pet. 5,1-3).
Das griechische Wort Proistemi in 1. Thessalonicher 5,12, heißt übersetzt „über dir", und trägt mehr den Gedanken an jemand, der vor anderen steht, als an jemanden, der über sie herrscht. Dasselbe trifft auf die Stellen in Hebräer 13,7;17;24 zu. George Mallone bemerkt dazu:
Im Gegensatz zu dem, was wir gern glauben möchten, befinden sich Älteste, Pastoren und Diakone nicht in einer Befehlskette oder hierarchischen Pyramide, die sie unter Jesus und über die Gemeinde setzt. Die Leiter der biblischen Gemeinde sind einfach Teile des Leibes Christi, nicht eine elitäre Oligarchie. Sie sind Mitglieder, die Gott erwählt, und mit bestimmten Charismen ausgestattet hat. (Furnace of Renewal)
Unter Beachtung des Gebots unseres Herrn erlaubten es sich die Ältesten des 1. Jahrhunderts nicht, mit Ehrentiteln wie „Pastor Michael," „Ältester Franz," „Bischof Jens" „Pfarrer Steffen," oder „Hochwürden Ernst" angesprochen zu werden (Matt. 23,7-12). Solche Titel erhöhen Menschen natürlicherweise auf eine Ebene über der der anderen Geschwister in der Gemeinde. Aus diesem Grund sind Ehrentitel mit neutestamentlichem Christsein unvereinbar.
Gemeinden und Klerus sind gleichermaßen für die Schaffung des „christlichen Gurutums" verantwortlich, das heute im Leib Christi blüht. Religiöse Leiter werden zu geistlichen Stars mit Fanclub-ähnlicher Verehrung gemacht. Menschen werden in Ämter inthronisiert, die keine biblische Grundlage haben.
Im krassen Kontrast zu dieser Perversion betrachtete man Älteste im 1. Jahrhundert als gewöhnliche Brüder. Denn genau das waren sie – Brüder! Als solche waren sie genauso zugänglich und offen für die Heiligen wie jeder andere Gläubige der Gemeinde auch. Das allgemeine Bild der Aufseher der Gemeinde als „Männer Gottes" und heilige „Männer in Talaren" ist dem biblischen Konzept vollkommen fremd!
Es ist eindeutig eine Tragödie, dass das dominierende Bild christlicher Leiterschaft in einem institutionellen Rahmen verankert ist. Das verbreitete Verständnis eines Klerus’ hat unsere Ansichten darüber geprägt, wie eine Gemeinde geleitet werden sollte. Der Begriff des „ordinierten Klerus" spiegelt hierarchische Werte wider. Solche Werte stehen im Gegensatz zu dem Geist der frühen Kirche.
Die Trennung in Klerus und Laien ist ein postbiblisches Konzept ohne jede Rechtfertigung durch die Schrift! Es ist außerdem eine Bedrohung für das, wozu Gott die Gemeinde berufen hat – ein funktionierender Leib zu sein! Robert C. Girard sagt dazu:
In unserem Gemeindeleben ist ein unbiblisches Zwei-Klassen System zutiefst verwurzelt. In diesem System gibt es eine Klasse der Kleriker, die ausgebildet, berufen und bezahlt wird und von der man erwartet, dass sie als Leitung fungiert. Auf der anderen Seite gibt es die Klasse der Laien, die für gewöhnlich die Zuhörerschaft stellt, die anerkennend für die Darbietung des Klerus zahlt – oder erbittert die klaffenden Lücken in der Ausführung kritisiert (solche Lücken gibt es immer). Von der niedrigeren Klasse der Laien wird wenig erwartet (außer Anwesenheit, Zehnter und Zeugnisse). Jedermann erwartet aber zuviel von der höheren Klasse des Klerus (einschließlich des Klerus’ selbst!). Das größte Problem bei der ganzen Angelegenheit ist die Tatsache, dass die biblische Sicht des Dienstes diesem System vollkommen widerspricht. (Brethren, Hang Together)
Howard Snyder schreibt:
Die neutestamentliche Lehre des Dienstes ruht daher nicht auf der Unterscheidung von Klerus und Laien, sondern auf den zweifachen und wohltuenden Pfeilern der Priesterschaft aller Gläubigen und der Gaben des Geistes. Noch heute, vier Jahrhunderte nach der Reformation, muss die volle Bedeutung dieser protestantischen Erklärung erst in die Tat umgesetzt werden. Die Trennung von Klerus und Laien wurde direkt vom vorreformatorischen römischen Katholizismus übernommen und ist eine Rückkehr zum alttestamentlichen Priestertum. Sie ist eines der grundsätzlichen Hindernisse für die Gemeinde, um heute effektiv Gottes Vertreter des Königreichs zu sein, weil sie eine falsche Vorstellung von „heiligen Menschen", nämlich ordinierten Geistlichen prägt, die wirklich qualifiziert und verantwortlich für Leiterschaft und die wichtigen Dienste sind. Im Neuen Testament gibt es funktionelle Unterschiede zwischen verschiedenen Arten des Dienstes, aber keine hierarchische Trennung zwischen Klerus und Laien. (The Community of the King, mit freundlicher Genehmigung des Autors)
Ich will es ausdrücklich sagen: Neutestamentliche Älteste waren keine klerikalen Leiter! Sie waren lediglich geistlich reife Brüder, denen vom Heiligen Geist gegeben war, die Gemeinde zu beaufsichtigen (Apg. 20,28-31; Tit. 1,7-14; Heb. 13,17), und es brauchte Zeit, bis sie aufkamen.
Die Ältesten monopolisierten nicht die Aktivitäten der Gemeindetreffen, während sie die Aufsicht führten. Auch trafen sie keine Entscheidungen im Namen der Kirche (hierzu später mehr). Stattdessen wachten sie über der Gemeinde, während diese die Härten des Lebens und des Kreuzes durchlebte.
Bitte beachten Sie, dass Aufsicht eine größtenteils passive Rolle ist. Die Aufsicht der Ältesten erstickte nicht das Leben der Gemeinde. Auch mischte sie sich nicht in den Dienst der anderen Gläubigen ein. Obwohl die begabten Ältesten einen großen Anteil an der Lehre, dem prophetischen Dienst und der Ermahnung hatten, taten sie dies auf derselben Basis wie alle anderen Mitglieder. Sie hatten kein Monopol.
Auf diese Weise übten die Ältesten der frühen Kirche die Aufsicht aus, ohne Jesus seiner Rechte auf die Krone zu berauben. Und sie taten dies, ohne das Volk Gottes im Würgegriff zu halten!
Im Gegensatz zu der heutigen Vorstellung des Pastors wirkten die neutestamentlichen Ältesten nicht wie geistliche Bosse, die in ihren frommen Unternehmen den Vorsitz hielten und strategische Programme umsetzten, um das Wachstum „ihrer" Gemeinden anzukurbeln. Stattdessen waren sich die Ältesten vollkommen dessen bewusst, dass ihnen die Gemeinde nicht gehörte. Sie gehörte ihrem geliebten Meister. Er allein hat das Recht sich „inmitten der Leuchter (Off. 1,20)" zu bewegen. Ein Ältester im 1. Jahrhundert wäre zweifellos zusammengezuckt, wenn man ihm gegenüber Begriffe wie „deine Gemeinde" oder „deine Kirche" gebraucht hätte.
Was ich auf den vorangegangenen Seiten geschrieben habe, soll kein schlechtes Licht auf den gesamten Klerus werfen. Zahllose Kleriker haben aus den höchsten Motiven ihren Beruf ergriffen, und ich erkenne ausdrücklich an, dass einige von ihnen es geschafft haben, sich von den Fallen, die mit ihrem Beruf verbunden sind, fernzuhalten.
Die Probleme liegen nicht bei den Klerikern selbst, sondern vielmehr in dem System, zu dem sie gehören. Der Berufszweig des Klerikers ist eine monströse Institution, die von dem neutestamentlichen Leiterschaftskonzept weit entfernt ist. Seine bloße Präsenz verhindert das Heranwachsen einer reifen, beziehungsorientierten, funktionierenden Gemeinde, die zutiefst die Herrschaft Jesu zum Ausdruck bringt. Jon Zens stellt fest:
Während die Trennung von Laien und Klerus in religiösen Kreisen selbstverständlich und allgemein akzeptiert ist, ist sie im Neuen Testament nicht zu finden. Weil das Neue Testament keinen Klerus kennt, veranschaulicht die Tatsache, dass eine getrennte Klasse von Geistlichen unser Vokabular und unsere Praxis durchdringt, sehr deutlich, dass wir das Neue Testament noch nicht sehr ernst nehmen. Die Existenz eines Klerus’ ist eine Irrlehre, mit der wir Schluss machen müssen. Sie trifft das Herz der Priesterschaft aller Gläubigen, die Jesus am Kreuz für uns erkauft hat. Sie widerspricht der Form, die das Königreich Jesu annehmen sollte, als er sagte: „Ihr seid alle Brüder." Sie ist eine menschliche Tradition und erklärt als solche das Wort Gottes für null und nichtig ... Das klerikale System liegt als monumentales Hindernis vor einer wirklichen Reformation und Erneuerung. ("The ‘Clergy/Laity’ Distinction: A Help or a Hindrance to the Body of Christ," Searching Together, Vol. 23:4)
Aufsicht über die Gemeinde und Christus als das Haupt
Fassen wir zusammen: Die Aufseher der frühen Gemeinde waren einfach Brüder, ortsansässige Familienväter, reife und vertrauenswürdige Diener Jesu, anerkannte Männer, normale und gewöhnliche Christen, die für die Herde sorgten.
Vor diesem Hintergrund ist es meine Hoffnung, dass der Herr die unbiblische Vorstellung eines professionellen klerikalen Systems zerstören möge. Dieses System hat aus den kostbaren Dingen des Herrn strikte Hierarchien, programmgetriebene Systeme und selbstbezogene Institutionen gemacht. Nochmals: Die Bibel kennt keine separate Klasse ordinierter Leiter (Klerus), die über eine niedrigere Klasse der Gläubigen (Laien) herrscht. Jon Zens argumentiert:
Die römisch-katholische Trennung von Klerus und Laien ist in ähnlicher Form vom Protestantismus übernommen worden. Diese unbiblische Unterscheidung hat in der Geschichte unermesslichen Schaden angerichtet und tut dies nach wie vor ... Wenn wir sensibel für die Schrift sind, müssen wir diese allgemeine Unterscheidung von Klerus (der Pastor) und Laien (der Rest der Gemeinde) für immer aus unserem Vokabular tilgen. Diese Trennung manifestiert eine schreckliche Unwahrheit und ist leider auch Teil unseres Denkens und unserer gängigen Praxis. ("What is a Minister?—Principles for the Recovery of N.T. Church Ministry," Searching Together, Vol. 11:3)
Das heutige protestantische Pastorensystem ist ein künstliches religiöses Gebilde, durch das der Leib Christi, wegen seines großen Vertrauens in einen einzigen Leiter, in die Rolle des Publikums abgeglitten ist. Diese unbiblische, klerus-dominierte Struktur hat dem Volk Gottes unermesslichen Schaden zugefügt. Es hat Kirche zu einem Ort gemacht, an dem Christen einer professionellen Veranstaltung zuschauen. Es hat die Heilige Versammlung in ein Zentrum für bezahlte Kanzelhelden verwandelt, die von Laien-Zuschauern getragen werden.
Das pastorale System hat den geistlichen Dienst zu einem elitären Recht gemacht. Es hat den Christen das Recht geraubt, als Teil der Ekklesia zu agieren, und es hat die gläubige Priesterschaft gelähmt. Das klerikale Konzept von Gemeindeleitung zerstört beständig das Leben des Leibes. Christian Smith stellt diesen Punkt heraus:
Der Berufszweig der Kleriker schlägt sich im Grunde selbst. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Gemeinde zu geistlicher Reife zu erziehen – eine sehr erstrebenswerte Absicht. Tatsächlich aber erreichen sie das Gegenteil, indem sie permanent die Abhängigkeit der Laien vom Klerus fördern. Der Klerus wird für die Gemeinden wie Eltern, deren Kinder nie erwachsen werden, wie Therapeuten, deren Patienten nie geheilt werden und wie Lehrer, deren Schüler nie einen Abschluss machen. Die Existenz eines vollzeitlichen bezahlten Leiters macht es den Mitgliedern der Gemeinde zu einfach, keine Verantwortung für das fortlaufende Leben in der Gemeinde zu übernehmen. Warum sollten sie auch? Dies ist ja die Aufgabe des Pastors (so denkt man). Aber das Resultat ist die passive Abhängigkeit der Laien. Stellen wir uns vor, der Pastor einer Gemeinde würde zurücktreten und man könnte keinen Ersatz finden. Idealerweise müssten die Gemeindeglieder sich endlich aus ihren Kirchenbänken erheben, zusammenkommen und herausfinden, wer lehrt, wer Seelsorge leistet, wer Streit schlichtet, wer die Kranken besucht, wer den Lobpreis leitet und so weiter. Mit ein wenig Verständnis würde ihnen klar werden, dass die Bibel den Leib als Ganzes dazu ruft, diese Dinge gemeinsam zu tun und jeden ermutigt, zu überlegen, welche Gabe er beitragen kann, welche Rolle er spielen könnte, um den Leib aufzubauen ... Wenn wir zum Wort Gottes zurückgehen und es ganz neu lesen, sehen wir, dass der Beruf des Geistlichen ein Ergebnis menschlicher Kultur und Geschichte ist, nicht aber Gottes Wille für die Gemeinde. Es ist schlicht unmöglich, für die klerikale Institution wie wir sie kennen, eine haltbare biblische Rechtfertigung zu konstruieren. ("Church Without Clergy," Voices in the Wilderness, Nov/Dec ‘88)
Es geht bei der Leiterschaft der Gemeinde wirklich nur um einen grundsätzlichen Punkt: Die Herrschaft Jesu Christi. Alles dreht sich um die heikle Frage: Wer wird das Haupt sein, Jesus oder Menschen?
Das Fazit dieses brandaktuellen Themas ist: Werden wir weiterhin zu einem System (Klerus/Laien) und einem Amt (einzelner Pastor) stehen, das im Neuen Testament nicht vorhanden ist? Oder werden wir um des biblischen Prinzips willen demütig unsere menschlichen Vorstellungen von Leiterschaft zur Seite legen?
Was ich in diesem Kapitel gesagt habe, wird manchen, der seine Bibel durch die trübe Brille modernen Klerikertums liest, zweifelsohne erstaunen. Aber ich möchte eines klar sagen: Die Begrenzung, die das moderne klerikale System dem Volk Gottes aufzwingt, ist eine schwerwiegende Angelegenheit und ein Skandal für das Königreich Gottes!
Ich habe diese Worte mit Liebe geschrieben, nicht mit einem kritischen Geist. Deshalb wünsche ich mir weder eine vorschnelle Reaktion, noch unüberlegte Zustimmung gegenüber dem, was ich gesagt habe. Stattdessen fordere ich meine Leser heraus, dieses Thema sorgfältig zu prüfen und es selbst im Gebet zu durchdenken.
Lassen Sie uns anfangen, den Platz des Herrn als souveränes Haupt der Gemeinde wiederzugewinnen und zu bewahren, damit er seine geliebte Priesterschaft (aller Gläubigen) von den Ketten befreien möge, in denen sie gefangen ist.
Genehmigter Auszug aus dem Buch "Alte Schläuche neu durchdacht" von Frank Viola
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